(2023-05-09) Roger Waters – Köln, Lanxess Arena
Was soll man sagen Roger Waters in Köln. Ich wäre da mit Sicherheit nicht hingegangen, wenn das letzte Konzert von Roger Waters nicht wirklich überragend gut war.
Diesmal wollten York und Anja mitkommen, und so haben wir uns auch recht früh die Tickets besorgt, für stolze 126,47€, für die ziemlich gleichen Sitzplätze wie bei dem letzten Konzert. Leider kamen dann die seltsamen Äußerungen und die Unterstützung von Roger Waters für zweifelhafte palästinensische Organisationen. Das Ganze hat die Vorfreunde doch erheblich getrübt und auch die Neuinterpretationen einiger Songs hat nicht unbedingt Euphorie ausgelöst.
Wieder war die Bühne in der Mitte der Arena aufgebaut, in + Form. Leider gab es aus den oberen Rängen diesmal das Problem das die Boxen und die Videowand so aufgebaut waren das sie einem den Blick auf die Bühne etwas versperrt haben. Nicht schön, aber war noch akzeptable. Diesmal haben die teureren Plätze wirklich „mehr“ gehabt, was bei dem vorherigen Konzert nicht der Fall war.
Das Konzert beginnt mit einigen Worten von Roger Waters auf der Videowall die einem eigentlich schon wieder die Stimmung vermiesen … „Deutsche Gerichte haben amtlich entschieden das ich kein Faschist bin“ und „Wer gekommen ist um alte Pink Floyd Songs zu hören, soll sich an die Bar verpissen“. Anschließend beginnt das Konzert mit Comfortably Numb in der düsteren 2022 Version und sofort sagt mein Sohn „Nicht schlecht aber ich vermisse das Guitarrensolo“. Damit war eigentlich schon das ganze Konzert erklärt.
Ich weiß nicht was ich genau erwartet habe, aber es war anders und Roger Waters hat es tatsächlich geschafft dieses Konzert zu einem besonderen Konzert zu machen. Am deutlichsten wurde das bei den „Bar“ Songs. Man hatte hier das Gefühl eines sehr intimen Konzerts und man war sich der Größe der Arena und er Bühne gar nicht bewusst. Durch die Videowand hatte man außerdem das Gefühl gehabt sehr nah an der Bühne zu sein.
Die Band hat sich bewusst im Hintergrund gehalten. Roger Waters hat sich frei auf der Bühne bewegt und war entsprechend auf allen Seiten sehr präsent und gut zu sehen. Im Gegensatz zum 2018er Konzert kam bei mir keine Gänsehautstimmung auf aber insgesamt war das ein großartiges, einzigartiges und wunderschönes Konzert was auch etwas Menschliches und Unerwartetes hatte. Es ist wirklich Schade das Roger Waters manchmal so grantig und verbohrt sein kann. Es ist sicher richtig palästinensische Nöte und Bedürfnisse anzusprechen, und es ist auch richtig eine Bevorteilung Israels zuungunsten anderer Völker anzusprechen. Das hat sicher nichts mit Antisemitismus zu tun … Aber die Art und Weise macht halt Herrn Waters zum Gegenstand von Diskussion und nicht unbedingt sympathischer. Das ist auch der Grund warum viele Pink Floyd Fans nicht unbedingt Roger Waters Fans sind. Zusätzlich kommen sicher noch seine Aussagen gegenüber den anderen Kollegen und speziell zu „Dark Side of the Moon“ hinzu. Sicher ist es richtig das das künstlerische Gesamtkonzept von Herrn Waters entwickelt wurde, nur verstehen sowohl Herr Gilmour als auch Herr Waters noch immer nicht das es die Werke von Pink Floyd in dieser Form und in dieser Qualität ohne alle anderen im Team „Pink Floyd“ nie gegeben hätte. Ohne Richard Wright hätte „Dark Side oft he Moon“ nie so geklungen wie es nun mal von allen und jedem geliebt wird. Da wird auch die Neuinterpretation von Herrn Waters nie etwas dran ändern … Lieder sieht man an Gilmour/Waters das älter werden nicht unbedingt weiser und nachsichtiger macht …
Zitat Laut de:
„ROGER WATERS IN KÖLN: Beim Stammtisch in der Arena
Auch wenn Roger Waters’ Konzert in der Domstadt nie wirklich von der Absage bedroht war – etwas Last-Minute-Gegenwind gab es dann doch.
Köln (kluk) – Weißer Rauch steigt über dem Kölner Dom auf, Habemus papam! Der Prophet ist gelandet, der Erzengel erschienen, der Creative Genius – nein, Moment, wie schimpfen wir uns diesmal? – der Creator Of The Golden Years Of Pink Floyd™ ist herabgefahren.
Sein Kommen bleibt nicht unbemerkt: 11.000 Menschen tummeln sich vor der Lanxess Arena. Während das Security-Personal selbige mit händischen Flughafenscannern (das ist neu!) filzt, fordern im Hintergrund (wie schon am Montag vor dem Kölner Dom) Demonstrierende zum Umdenken auf. Als “not very educated” soll der Protagonist des heutigen Abends diese später abtun.
Dabei hat Roger Waters seine Hausaufgaben doch selbst nur schludrig gemacht: Vor Konzertbeginn flackert die Meldung über die Leinwand, das Verwaltungsgericht Frankfurt habe festgestellt, dass Waters kein Antisemit sei. Stimmt halt so nur nicht. Aber schon im nächsten Satz werden Menschen wie ich, die über die freie Urteilsinterpretation stolpern, Menschen, die Pink Floyd lieben, aber nicht “into Roger’s politics” seien, galant aufgefordert, sich einfach von vornherein an die Bar zu verziehen. Mahlzeit.
Not so into Roger’s politics
Dann gehts auch schon los: “Comfortably Numb” erklingt als gitarrensolibefreite Halbakustikversion, die kreuzförmige Leinwand zeigt dazu dystopische Großstadtszenerien. Als sich das Bühnenkonstrukt wenig später hebt, gibt es den Blick auf die in der Mitte der Lanxess Arena platzierte Bühne frei. Waters’ Mitmusiker spielen in alle Richtungen verteilt, wodurch die Atmosphäre unterhalb der enormen Grafikwand mal kuschelig, mal fast schon isoliert wirkt.
Eine Bar-Atmosphäre möchte er hier schaffen, wie Waters in der Ansage zum neuen Stück “The Bar” erklärt. Ein Ort zum Zuhören und Austauschen von Meinungen (vorausgesetzt, sie entsprechen seiner eigenen). Wie er da so an seinem spirituosenbeladenen Piano sitzt, wirkt der 79-Jährige wie ein weiser, musizierender Märchenonkel. Hätte er nicht gerade noch zu “Another Brick In The Wall” erschreckend agil seine Bühnenkreise gezogen, man würde ihm die Rolle als introvertierter Geschichtenerzähler am Klavier (wie schon in den Promoclips zu seinem letzten Album) sofort abkaufen. Ein wohl unbeabsichtigter Rülpser seinerseits holt einen dann aber schnell wieder in die Realität: Bar bedeutet irgendwie auch Stammtischniveau – und irgendwoher muss er seine kruden politischen Thesen und Quellen ja haben.
Der Geist Pink Floyds
Zum Glück ist aber ja wirklich alles, was aus dem Mund des Meisters dringt, wahr und gut und schön. “I’ll do that again”, verspricht uns der Aufstoßende. Gesagt, getan und spätestens beim zweiten Rülpser blicke ich verschämt auf mein “The Wall”-Shirt und erinnere mich wieder an 2011, als man auf Tour noch auf den angekündigten Gastauftritt von David Gilmour wartete.
Solche Tagträume scheinen weiter weg denn je, aber dennoch: Was Waters’ Megatouren mit ihren markigen Untertiteln seit jeher verkaufen, ist der Geist des Bandkonstrukts Pink Floyd. Er ist einer, der den Menschen gibt, was sie wollen. Das Theatralische, aber am Ende auch Versöhnliche seiner “The Wall”-Tourneen, das Pazifistische von “Us + Them”, die großen Gesten der “Dark Side”.
Die Setlist kann sich sehen lassen
Und die heutige Setlist kann sich sehen lassen: Neben den üblichen Verdächtigen von “Money” bis “Wish You Were Here” (Gesang und Soli: David Gilmour, auf der Leinwand erscheint aber trotzdem nur Syd Barrett) werden kräftig Lücken gefüllt: So erklingen Teile der selten performten zweiten “Shine On You Crazy Diamond”-Hälfte, das instrumentale “Any Colour You Like” und sogar “The Final Cut”-Material. Auch alte und neue Waters-Solosongs sind dabei, die noch mal verdeutlichen, was Waters ohne Floyd geschaffen hat: Textlich fantastische, musikalisch passable Stücke, denen die ganz große Magie jedoch hier und da abgeht.
Noch vor dem berüchtigten Schweineballon kommt zum Ende der ersten Hälfte ein aufblasbares Schaf zum Einsatz, das zu “Sheep” durch die Halle gleitet. “Resist” flackert über die Bildschirme. Kurz entfaltet sich die politische Kraft der “Animals”, und ich beschließe ganz fest, fortan kein Herdentier im Orwellschen Sinne mehr sein zu wollen. Ein Vorsatz, den ich spätestens beim Gänsemarsch mit 10.999 anderen Herren zum Pausen-Toilettengang brechen muss.
Dann legt Waters politisch richtig los
In der zweiten Hälfte legt Waters politisch so richtig los: Zum Glück gab der Stadtsuperintendent des Evangelischen Kirchenverbandes Köln, Dr. Bernhard Seiger, im Vorfeld Tipps, wie man sich im Falle antisemitischer Aussagen während des Konzerts verhalten solle. Zwar rufe ich mir diese rechtzeitig ins Gedächtnis (erstens: pfeifen, zweitens: rausgehen), doch wie auf den vorherigen Waters-Touren warte ich auch diesmal wieder vergeblich auf judenfeindliche Tiraden des grauen, aber erschreckend fitten Herrns in der Bühnenmitte.
Stattdessen integriert Waters nun Teile seiner “The Wall”-Show, in denen sich Protagonist Pink mit roter Armbinde und Maschinengewehr in faschistischen Träumen verliert. Kleiner Mann, der auf dicken Kriegstreiber machen will – ja Mensch, wenn da mal kein Putin-Konterfei angebracht gewesen wäre, nicht wahr, Rog? Doch der lenkt die Aufmerksamkeit von den grandios und abwechslungsreichen performten Welthits (bei all den Tiefertransponierungen übrigens keine Anzeichen von Lip-Syncing) zunehmend auf die soziale Agenda: Pro “trans rights”, pro “reproductive rights”, selbst ein “Fuck Patricharchy” ist hier zu lesen.
“It’ll be spectacular”
In seinen wenigen, aber dafür ausführlichen Ansagen nimmt Waters dem Ganzen aber die programmatische Verbissenheit und agiert stattdessen mit einer augenzwinkernden Kumpelhaftigkeit, dank der man gebannt an seinen Lippen hängt – selbst bei der detailreichen Schilderung unser aller nuklearen Todes im Falle eines Atomkriegs (so besungen im alles überstrahlenden “Two Suns In The Sunset”).
Dann vergisst man kurz den üblen Narzissten, der bei kleinstem Meinungsgegenwind jede Contenance vergisst und es eigentlich noch immer besser wusste. Doch vermutlich zeigt der Kontrast heute, dass beide Gesichter echt sind: das des gütigen Klavieronkels und die eklige Medienfratze. Denn eklig ist es dann irgendwo doch, wie Waters hier seinen scheinbar felsenfesten Pazifismus verkauft und sich abseits der Bühne in russlandversteherischer Rhetorik verliert. Eklig auch irgendwie, wie er den mystifizierenden Personenkult um seinen alten Freund Syd Barrett als nützliches Add-on für sein Egoprogramm einbaut.
“It’ll be spectacular like all my shows have been”, sagte er 2016 einmal. Und damit wären wir beim vermutlich Ekligsten überhaupt: Dass er mal wieder Recht behalten sollte. Dass das heute einfach spektakulär, berührend und schön war.“
Das Ganze Konzert gibt es auch auf Youtube … Natürlich
Roger Waters This Is Not A Drill 09.05.2023 Cologne – YouTube
Set 1:
Comfortably Numb (2022 version)
The Happiest Days of Our Lives
Another Brick in the Wall, Part 2
Another Brick in the Wall, Part 3
The Powers That Be
The Bravery of Being Out of Range
The Bar
Have a Cigar
Wish You Were Here
Shine On You Crazy Diamond (Parts VI-VII, V)
Sheep
Set 2:
In the Flesh
Run Like Hell
Déjà Vu
Déjà Vu (Reprise)
Is This the Life We Really Want?
Money
Us and Them
Any Colour You Like
Brain Damage
Eclipse
Two Suns in the Sunset
The Bar (Reprise)
Outside the Wall