Die Vermessung der Welt lässt sich am ehesten als Doppelbiographie mit Romancharakter beschreiben. Kehlmann literarisiert die Lebensläufe von Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß, verwertet Tagebuchnotizen, Reiseberichte und Memoiren zu zwei sich kreuzenden Lebenswegen mit persönlichem Charakter. Jeweils abwechselnd erzählen Humboldt und Gauß von ihrer Kindheit, ihren Träumen und Sehnsüchten, erklären ihre naturwissenschaftlich-mathematischen Visionen und verdeutlichen, wie wenig beide für das alltägliche Leben gemacht sind.
Gauß ist menschenverachtend, lebt ganz in den Dünkel seines mathematischen Genies eingehüllt und scheut auch nicht davor zurück, den vermeintlich minderbemittelten Sohn in die Verbannung zu schicken. Eugen aber ist keineswegs dumm, nur will er die Welt nicht berechnen oder in Daten und Spalten einteilen, sondern sie unverfälscht erleben. Man ahnt schon, welcher Lebensentwurf der glücklichere sein wird.
Humboldt, der das Heiraten jenen Menschen vorbehält, die im Leben nichts vorhaben, ist getrieben von dem Wunsch alles zu vermessen. Der Schrecken des Alltags, die dominante Figur des großen Bruders und die homoerotischen Neigungen glaubt er durch fieberhaftes Kartenzeichnen beherrschbar zu machen.